Nachdem die Berufsfeuerwehrleute vor dem Verwaltungsgericht nur einen kleinen Teil ihrer geleisteten Überstunden zugesprochen bekamen (wir berichteten ausführlich), macht sich Unmut unter den Feuerwehrbeamten breit. Wir haben den Vorstand des Personalrats der Berufsfeuerwehr Wiesbaden zur Situation interviewt. Wir veröffentlichen das Interview im Wortlaut:
Das Verwaltungsgericht Wiesbaden erklärt, dass der Großteil der Ansprüche der Berufsfeuerwehrleute verjährt ist, spricht ihnen aber auch 270 Überstunden zu. Viele Feuerwehrbeamte sehen das eher als „Schlag ins Gesicht“ statt als Teilerfolg. Wie haben Sie die Verhandlung erlebt?
Wir sind traurig und entsetzt über dieses Urteil, wie kann es denn sein, dass ein Mitarbeiter rund 1000 Überstunden leistet, nachher aber vor Gericht nur rund 270 Stunden zugesprochen bekommt auf Grund eines formalen Fehlers.
907,5 regelmäßige Überstunden sind seit 1996 zu viel geleistet worden. Wie konnte es in Ihren Augen dazu kommen?
Es kam in unseren Augen dazu, weil seit 1996, seit in Kraft treten der EU Arbeitszeitrichtlinien, seitens der Stadt Wiesbaden das erforderliche Personal nicht eingestellt wurde und die Dienstpläne nicht angepasst wurden.
In anderen Städten, wie zum Beispiel Hamburg, wurden alle Überstunden rückvergütet. Warum ist das in Wiesbaden nicht möglich, obwohl auch hier lange bekannt war, dass die Feuerwehrbeamten widerrechtlich zu viel arbeiten?
In Wiesbaden war man seitens der Stadt offensichtlich nicht an einer gütlichen Lösung interessiert. Leider mussten daher die sechs Kollegen vor Gericht ziehen. In weiteren rund 75 Verfahren ist bereits Klage eingereicht. Wir finden es moralisch verwerflich, dass Mitarbeiter wider besseren Wissens über die Höchstarbeitszeit hinweg über Jahre eingesetzt wurden und nichts getan wurde, um eine Verbesserung herbei zu führen.
Durch den langen Streit um Überstunden und Personalmangel gilt das Verhältnis zwischen Berufsfeuerwehrleuten und der Stadt schon lange als angespannt. Welche Gefahren sehen Sie in dieser Hinsicht durch das Urteil und die Haltung der Stadt?
Das Verhältnis zwischen Feuerwehrbeamten und der Stadt kann man nun mit Fug und Recht als schlecht bezeichnen. Statt des Beamtengrundsatzes von „Treu und Glauben“ fühlt man sich eher ausgeliefert! Wir holen die Bevölkerung aus den Flammen und die Stadt lässt uns darin stehen. Insgesamt wird sich die Stadt durch dieses Verhalten schaden, da bisher viele Beamte aus ihrer Freizeit heraus Fortbildungen besuchen und der Dienststelle zu ihrem eigenen Nachteil entgegen kommen. Ob dies künftig noch der Fall sein wird, mögen wir nicht zu beurteilen.
Der inzwischen zuständige Dezernent Detlev Bendel will sich laut einem Zeitungsbericht für Gleichbehandlung einsetzen, sodass auch die weiteren Kollegen ohne Klage die 270 Stunden zugesprochen bekommen. Dieses „Entgegenkommen“ scheint jedoch überflüssig, da der Klageweg für die restlichen Feuerwehrbeamten zumindest hinsichtlich der 270 Stunden höchst erfolgsversprechend scheint. Wie beurteilen Sie das Verhalten mit dem Urteil?
Bereits schon einmal wurde den Kollegen ein Vergleich angeboten, bei dem nachher in großem Maße Abzüge vorgenommen wurden. In der Presse wurde seitens des Dezernenten ja betont, dass er keine Geschenke zu machen habe. Wir sehen es daher nicht als ein Entgegenkommen, wenn er uns rund 270 Stunden vergüten möchte, aber in Wahrheit von jedem einzelnen Kollegen rund 1000 Stunden geleistet wurden. Wir fordern daher, dass jedem Kollegen die tatsächlich geleisteten Stunden in Freizeit oder Geld abgegolten werden, nebst der angefallenen Anwalts- und Gerichtskosten.
In der Verhandlung hat sich gezeigt, dass das Vertrauen der Berufsfeuerwehrleute gegenüber ihrem Dienstherr ihnen nun zum Nachteil wird. Benötigen die Feuerwehrbeamten in Zukunft mehr Rechtsbeistand und muss nun öfter über Gerichte entschieden werden?
Wir denken, dass viele Kollegen nach diesem Verhalten der Stadt des Öfteren ihren Rechtsbeistand befragen werden und zukünftig vielmehr Dinge über den Klageweg entschieden werden. Viele Kollegen fühlen sich massiv benachteiligt und man darf sich nicht wundern, dass die Motivation gegen Null geht. Die Kollegen fühlen sich von ihrem Arbeitgeber, der Stadt Wiesbaden, ausgenutzt und über Jahre hinweg zur Mehrarbeit genötigt, die man ihnen nun nicht einmal mehr im vollen Umfang erstatten möchte.
Nun ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Soll der Kampf weiter gehen? Wie ist Ihr Stand und wie unterstützen Sie die Berufsfeuerwehrleute?
Die Kollegen warten derzeit auf die schriftliche Urteilsbekündung, sollte Berufung zugelassen werden, beschreiten sie selbstverständlich den weiteren Klageweg. Selbstverständlich werden wir auch nicht ruhen, die Stadt Wiesbaden immer wieder auf ihre moralischen Pflichten hinzuweisen, alle Kollegen entsprechend der tatsächlichen geleisteten Überstunden zu entschädigen. Wir bitten um Verständnis, dass wir hierzu noch keine genaueren Angaben machen können. Abschließend bleibt zu hoffen, dass man seitens der Stadt nun endlich Einsicht zeigt und den Kollegen, das ihnen Zustehende zukommen lässt.
Das Interview führte Michael Ehresmann (Wiesbaden112) mit Swen Kalowsky und Dirk Ruzicka (beide DFeuG).
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