Der Weihnachtsmarkt der Nationen in Rüdesheim am Rhein ist einer der beliebtesten im Rhein-Main-Gebiet. Bis zu 23.000 Besucher tummeln sich am Wochenende gleichzeitig in der engen Altstadt. An über 120 Ständen gibt es verschiedenste Spezialitäten und Handwerkskünste aller Herrenländer. Ein wunderschöner Weihnachtsmarkt mit Tücken: Rettungsfahrzeuge haben keine Chance in die Altstadt zu kommen.
Bisher kam es zum Glück in Rüdesheim zu keinen Katastrophen. Doch auch bei Kleinbränden verzögerte sich der Einsatz, da die Einsatzkräfte das schwere Einsatzgerät erst zum Einsatzort tragen und aufbauen mussten. Außerdem hat man am 21.08.2011 leidlich erleben müssen wie gut die Holzbuden brennen.
Der wichtigste Teil: Das Gelände ist nun in Zonen eingeteilt, die allen bekannt sind und einzeln über Lautsprecher beschallt und evakuiert werden können. Zudem sind Bereitstellungsräume und Anfahrten für die einzelnen Marktbereiche festgelegt worden. Auch die Alarm- und Ausrückeordnung wurde angepasst.
Bei der Frage, wie der Ersteinsatz der Feuerwehr schneller erfolgen könnte, kam das Team auf ein All-Terrain-Vehicle (ATV) – den „SAM Fire“ der Firma Seewald und Seewald. Das zugelassene Sonderfahrzeug wird üblicherweise bei Filmaufnahmen und weitläufigen Geländen eingesetzt.
Der Marktbetreiber lieh das Fahrzeug für die Zeit des Weihnachtsmarktes, damit es von der Feuerwehr getestet werden und im Einsatzfall eingesetzt werden kann. Der 15kw-Motor bringt es auf 68km/h. Mit nur 1,55m Breite und knapp 2m Höhe ist das Durchkommen auf dem Weihnachtsmarkt wesentlich leichter.
Auf dem ATV finden vier Einsatzkräfte Platz wobei eine Einsatzkraft sich bereits auf der Fahrt mit Atemschutz ausrüsten kann. Neben Unterflurhydrant und Schlauchmaterial für die Vorbereitung des Löschangriffs ist zusätzlich eine Hochdruck-Löschanlage auf einem DIN-Schlitten im Heck verlastet.
Damit soll ein effektiver Ersteinsatz bis zum Eintreffen der weiteren Kräfte ermöglicht werden. Die Hochdruck-Löschanlage arbeitet mit 180bar Druck und einem Durchfluss von 20l/min. Damit hält der 100 Liter fassende Löschwassertank gut fünf Minuten bei voller Leistung. Dem Löschmittel kann zudem ein Löschmittelzusatz beigemischt werden.
Doch funktioniert das wirklich? Das galt es zu testen. Schließlich ist das Hochdruck-Löschverfahren trotz großer Versprechen der Anbieter in der Feuerwehrwelt umstritten. Um das Konzept zu testen wurden zwei einfache Tests durchgeführt.
Der zweite Test war wesentlich spannender: Auf einem Freigelände wurde eine große 10 Meter lange Weihnachtsmarktbude in Brand gesteckt. Simuliert wurde eine Fettexplosion mit anschließendem Vollbrand der Holzbude. Das schlimmste vorstellbare Brandszenario.
Dass die Holzhütte mit der Hochdrucklöschanlage und 100 Litern Wasser nicht zu retten ist, war den Verantwortlichen klar. Wichtig war für sie, wie sich Hitze und Flammenbild bekämpfen lassen um eine Ausbreitung vermeiden oder zumindest deutlich verzögern zu können.
Als der Feuerwehrmann mit der Hochdrucklanze ohne Löschmittelzusatz mit der Brandbekämpfung beginnt, ist das Flammenbild nach etwa einer Minute größtenteils zerstört und die Hitzestrahlung hat deutlich abgenommen. Konnte man beim Vollbrand sich nur etwa 20 Meter ohne Schutzkleidung annähern, kann man nun bis an die Bude treten.
Sicher ist jedoch, dass die deutlich schneller Angriffszeit durch das schmale Fahrzeug sowie die längere und gezieltere Löschmittelabgabe (als beispielsweise Feuerlöscher) im Erstangriff deutliche Vorteile bringt. Zudem erhoffen sich die Verantwortlichen im Schadensfall durch das schneller Erreichen der Einsatzstelle den Vollbrand eher vermeiden zu können, als es durch den Einsatz eines Großfahrzeuges möglich wäre. Ein Kleinbrand, wie beispielsweise der Brand einer Großraummülltonne, könnte sicher abgelöscht werden.
Als Fazit bleibt aus Sicht der Verantwortlichen, dass vorbeugende und organisatorische Maßnahmen die größte Sicherheit bringen. Sinnvoll ergänzt werden kann es durch das schnellere Eingreifen durch Fahrzeug und Gerät, das schneller am Schadensort ist. Klar wurde aber auch, dass der klassische Löschzug sowie das C-Rohr nicht zu ersetzen sind.
Für die Feuerwehr Rüdesheim wäre die Anschaffung eines ATV nicht nur für den Weihnachtsmarkt sinnvoll. Die weitläufigen Wanderwege in der Touristenhochburg mit zwei Seilbahnen, Weinbergen und dem Niederwalddenkmal könnten bei allen Rettungseinsätzen schneller und sicherer erreicht werden. Hier können mit den bisher Verfügbaren Fahrzeugen viele Wege nicht befahren und beispielsweise Verletzte nur zu Fuß erreicht werden.