(me) Die technische Unfallhilfe ist in den vergangenen Jahren immer mehr zum Einsatzschwerpunkt der Feuerwehren geworden. Doch mit dem technischen Fortschritt wachsen auch die Anforderungen an die Einsatzkräfte und deren Gerät. In einem Tagesseminar schulten Frank Hüsch und Thorsten Haag (Berufsfeuerwehr Wiesbaden) für die Firma Weber-Hydraulik die Einsatzkräfte der FF-Wölfersheim. Wiesbaden112 war dabei!
Samstagmorgen, 09:00 Uhr in Wölfersheim in der Wetterau. Im Gerätehaus haben sich 32 Einsatzkräfte aus fünf freiwilligen Feuerwehren der Gemeinde getroffen. Gemeindebrandinspektor Roland Bender hat für diesen Tag ein Seminar zur patientengerechten Unfallrettung bei Weber-Hydraulik gebucht.
SER „Verkehrsunfall“
Im ersten Theorieteil stellt Thorsten Haag die Standart-Einsatz-Regeln (SER) vor. Ziel ist das sichere und patientengerechte Retten aus einem Kfz. Dabei gab es in der Vergangenheit die unterschiedlichsten Methoden. Während es früher nur darum ging, den Eingeklemmten mit aller Gewalt schnellstmöglich aus dem Fahrzeug zu holen, wurde in der Vergangenheit immer mehr versucht, den Patienten nahezu bewegungslos, geräuschlos und extrem schonend zu retten; das kostet allerdings wieder viel Zeit.
Dabei gilt es aber zu beachten, dass die Feuerwehr bei einem Verkehrsunfall dem Rettungsdienst die Zugangsmöglichkeiten, Versorgung und die Befreiung ermöglicht. Letztlich ist die Absprache mit Notarzt und Sanitätern vor Ort wichtig, da die Art der Rettung wesentlich vom Gesundheitszustand des Patienten abhängt.
Auch mit dem Vorurteil, dass eine Feuerwehr ohne hydraulischen Rettungssatz bei einem Verkehrsunfall überflüssig ist, räumt Haag auf. Noch vor der eigentlichen Rettung sind Fahrzeugaufstellung, Verkehrsabsicherung, Ordnung der Einsatzstelle, Erste-Hilfe, Fahrzeugstabilisierung, Brandschutz, Glas- und Batteriemanagement (gegebenenfalls noch Ausleuchtung) elementare Bestandteile eines Rettungseinsatzes bei einem Verkehrsunfall – ganz ohne Hydraulik.
Moderne Fahrzeugtechnik
Doch irgendwann wird bei eingeklemmten Personen das hydraulische Rettungsgerät benötigt. Spätestens dann ist das Fahrzeug, in dem die Person eingeklemmt ist, ein wichtiger Faktor. Doch die Fahrzeuge werden immer moderner. Was das für die Rettungskräfte bedeutet, verdeutlicht Frank Hüsch in seinem Vortrag.
So werden bei einem Unfall bewusst Knautschzonen gebildet, die die Aufprallenergie abfangen. Außerdem werden Motor, Reifen etc. bewusst bewegt, um ein unkontrolliertes Eindringen in die Fahrgastzelle zu verhindern. Damit gewinnt das Auto meist selbst nach relativ harmlosen Unfällen keinen Schönheitspreis mehr, dafür bleibt jedoch die Fahrgastzelle sehr immun gegen Unfälle.
Ein Problem stellt jedoch noch der Seitenaufprall da. Hier gibt es in der Regel nur rund 30 cm, die die Außenhaut vom Fahrgast trennen – kein Platz für Knautschzonen. Also wird hier auf Stabilität gesetzt. „Ultra hochfester Stahl“ nennt sich der Stoff, mit dem die Türstreben und Säulen verstärkt sind. Bereits der Name macht deutlich, dass spätestens hier die Geräte der Feuerwehr an ihre Grenzen kommen.
Dabei sollte natürlich die Ideologie, dass eine Person geräuschlos, erschütterungs- und schmerzfrei zu befreien ist, zur Vergangenheit gehören. „Man sollte es auf ein mögliches Minimum reduzieren, jedoch nicht auf Kosten der Rettungszeit“, fasst Hüsch zusammen.
Viel wichtiger ist es also, dass die Geräte bewusst und richtig bedient werden. Der Höchstdruck der hydraulischen Rettungsgeräte ist erst nach 6 bis 8 Sekunden vollständig aufgebaut. Wer also bewusst an das Rettungsgerät herangeht, kann viel erreichen. An dieser Stelle hat Hüsch doch noch ein kleines „Kochrezept“: 100 % Einsatzerfolg besteht zu 50 % aus leistungsfähigen Rettungsgeräten und zur 50 % aus kompetenten und kreativen Geräteführern.
Praxis (oder: Ran an den Speck!)
Nach einer Stärkung geht es die letzten vier Stunden zu einem nahe gelegenen Autohändler. Der Autohändler, der als „Partner der Feuerwehr“ in der Gemeinde ausgezeichnet ist (er stellt seine Mitarbeiter ohne Kompromisse für den Feuerwehrdienst frei), hat drei Fahrzeuge und seinen Abstellplatz für diesen Tag bereit gestellt.
Dargestellt werden drei Lagen: PKW auf Dach, PKW auf Seite und PKW auf Rädern. Jede Lage stellt eine Station dar, an der jeweils ein Ausbilder den Teams erklärt, hilft oder demonstriert. Dabei geht es jedoch bei Weitem nicht nur um das Schneiden und Spreizen am Auto. Auch Erkundung, Stabilisierung, Glasmanagement und Patientenrettung werden mit verschiedenen Möglichkeiten besprochen und geübt.
Zum Abschluss werden alle Stationen gemeinsam betrachtet und besprochen. Dabei wird deutlich, dass die technische Unfallrettung ein weitreichendes Thema ist, das kontinuierlich intensiv geschult werden muss. Aber auch dem Gemeindebrandinspektor, Roland Bender, hat das Seminar viel gebracht. „Wir haben nicht nur viele neue Techniken gelernt und unsere Kenntnisse vertieft, wir wurden auch auf Sachen aufmerksam gemacht, die uns so nicht bewusst waren.“
So sind Geräte zum Glasmanagement in der Gemeinde nur auf Fahrzeugen mit Rettungssatz verladen. Dabei kann das Glasmanagement völlig unabhängig vom Rettungssatz zum Einsatz kommen – schließlich gehört auch ein großer Autobahnabschnitt zum Einzugsgebiet der Feuerwehren von Wölfersheim. Als das Seminar mit den Aufräumarbeiten am Autohaus sein Ende nimmt, wirken die Teilnehmer keineswegs müde oder gelangweilt, vielmehr ist ihnen anzusehen, dass sie an diesem Tag das Gefühl bekommen haben, für Verkehrsunfälle noch ein Stück besser gerüstet zu sein.
Wir bedanken uns bei Weber-Hydraulik, den Ausbildern sowie den Einsatz- und Führungskräften der Feuerwehr Wölfersheim für den freundlichen und offenen Umgang und die Möglichkeit dieses spannende Seminar zu begleiten!