(sst) Das Druckkammerzentrum Wiesbaden ist eines von 15 Zentren in Deutschland für Tauch- und Überdruckmedizin sowie Höhen- und Unterdruckmedizin. Doch dass hier nahezu alle Rauchgasvergiftungen – aber auch schwere Verbrennungen – behandelt werden, wissen die wenigsten. Wir besuchten das Druckkammerzentrum, um mehr über die Behandlung von Rauchgasvergiftungen herauszufinden.
Nach der Explosion in einem Wohnhaus in der Hartingstraße Anfang April ist die Rede von drei schwer Verletzten. Zwei Personen werden mit dem Rettungshubschrauber in Spezialkliniken transportiert. Eine Frau, die durch die Feuerwehrkräfte über eine tragbare Leiter gerettet wurde, wird nach Angaben der Rettungskräfte mit einer Rauchgasvergiftung in ein Wiesbadener Krankenhaus eingeliefert. Doch tatsächlich wurde sie direkt vom Einsatzort zum Druckkammerzentrum Wiesbaden in der Schiersteiner Straße gebracht. Dort wurde sie nach dem Prinzip der hyperbaren Oxygenation, kurz HBO genannt, behandelt.
Kohlenmonoxid (CO) ist ein geruch-, farb- und geschmackloses Gas, das unter Anderem bei Bränden entsteht. Das Gas kann erhebliche schädigende Wirkungen im Köper auslösen. Es bindet sich deutlich leichter an die roten Blutkörperchen und verhindert so einen ausreichenden Sauerstofftransport im Körper. Zudem werden im Körper befindliche Stoffwechselprozesse und Enzyme blockiert. Da es keine Schmerzen auslöst, wird es von den Betroffenen nicht bemerkt. Durch die verminderte Sauerstofftransportkapazität entstehen Schäden an Herz, Gehirn und anderen Organen. Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Schwindel, Ohrensausen und Bewusstseinsstörungen können unter Anderem als Symptome auftreten.
Bei der HBO atmen Patienten medizinisch reinen Sauerstoff ein. Je nach Krankheitsbild wird der Druck um das 1,5- bis 3-Fache des Normaldrucks angehoben. Dadurch wird zusätzlich zu dem eingeatmeten Sauerstoff mehr Sauerstoff im Blut gelöst. Dieser wird über die Lunge an das Blut weitergegeben. In der Therapiekammer wird bis zum 20-Fachen mehr an Sauerstoff in der Blutflüssigkeit physikalisch gelöst und durch den Blutkreislauf dem ganzen Körper zugeführt. Giftiges Kohlenmonoxid wird so schneller aus dem Körper „ausgewaschen“.
Bei einer Rauchgasvergiftung ist höchste Eile geboten. Die HBO-Therapie kann bei akuten Symptomen lebensrettend sein und sollte innerhalb von vier Stunden nach dem Unfall beginnen. Zur Alarmierung der Druckkammerbediener und dessen Spezialärzte ist das Team des Druckkammerzentrums mit eigenen Meldern ausgestattet und wird über die Wiesbadener Leitstelle alarmiert. Nach spätestens 30 Minuten ist die Druckkammer an 365 Tagen im Jahr für eine Behandlung bereit.
Das Druckkammerzentrum Wiesbaden ist eines von zwei Zentren der Druckkammerzentren Rhein-Main-Taunus GmbH. Ein zweites Zentrum besteht in Frankfurt. Nach 9 Jahren am Gründungstandort „Am Roten Kreuz Krankenhaus“ zog der Wiesbadener Stammsitz im Mai 2007 in das Asklepios Gesundheitszentrum (AGZ) in der Schiersteiner Straße 42.
Durch die direkte Zusammenarbeit mit den Ärzten des AGZ Wiesbadens und der Asklepios Paulinen Klinik Wiesbaden, ist eine optimale Versorgung der Patienten gewährleistet.
Auch Intensivpatienten können unter permanenter Überwachung und ohne lange Wege von der Station direkt in der Druckkammer behandeln.
Das Druckkammerzentrum verfügt über Notfallmedikamente, die identisch mit einer Notarzt-Ausstattung sind, zwei Beatmungsgeräte, einen Defibrilator, sieben Perfusoren, Magensonden, Blasenkatheter und alles was für ein komplettes Patientenmonitoring notwendig ist. Die Kammer selbst wiegt neunzehn Tonnen und kostet rund 1 Million Euro. Sie fasst 13 sitzende oder ein liegenden Patient und fünf sitzende. Notfallpatienten werden immer in Einzelfahrten behandelt. Für den Fall, dass während der Fahrt eine einzelne Person auf- oder abtauchen muss, verfügt die Druckkammer über eine Vorkammer für bis zu zwei Personen. Die Behandlungen in der Druckkammer werden direkt mit der jeweiligen Krankenkasse abgerechnet und sind grundsätzlich Kassenarztleistungen. Die Berufsgenossenschaften halten eine sofortige Behandlung einer CO-Intoxikation in einer Druckkammer für zwingend erforderlich.
Weitere Informationen:
- Homepage der Druckkammerzentren Rhein-Main-Taunus
- Flyer „Druckkammerzentren Rhein-Main-Taunus“ (PDF, 927 KB)
- Flyer „Rauchgasvergiftung“ (PDF, 2.5 MB)
Das Team des Druckkammerzentrums führt für Freiwillige Feuerwehren auch kostenlose Vorträge zum Thema „Rauchgasvergiftungen“ durch.
Wir bedanken uns beim Geschäftsführer Michael Kemmerer herzlich für die Einladung und die vielen interessanten Informationen rund um das Druckkammerzentrum und deren Behandlungsmöglichkeiten.